Das Schweizerische Bundesgericht hat in der Entscheidung BGer vom 19.03.2025, 6B_923/2024 (zur Publikation vorgesehen) die Auslegung und Anwendung der Genfer Gesetzgebung zum Bettelverbot (Art. 11A al. 1 lit. c LPG/GE) präzisiert.
Im Zentrum der Entscheidung steht die Definition des Begriffs „abords immédiats“ (unmittelbare Umgebung). Das Bundesgericht hält fest, dass diese Bezeichnung zwar nicht exakt festgelegt ist, jedoch restriktiv auszulegen ist und im Wesentlichen einen Radius von wenigen Metern um Eingänge und Ausgänge von Geschäften, Märkten und Haltestellen umfasst. Die Verurteilung wegen Bettelns an Orten, die lediglich mit ungenauen Angaben wie „in unmittelbarer Umgebung“ beschrieben sind und bei denen keine objektive Distanz festgestellt wurde, ist daher nicht überprüfbar und nicht haltbar.
Weiter wurde die Verhältnismässigkeit der strafrechtlichen Sanktionierung bei passivem Betteln beurteilt. Das Bundesgericht stellt klar, dass insbesondere wiederholte Verstösse zuvor durch administrative Warnungen ahndbar sein müssen. Ohne eine solche Vorwarnung erscheint die Verurteilung unverhältnismässig. Im vorliegenden Fall wurden keine dieser milden Massnahmen getroffen, weshalb die Verurteilung aufgehoben und der Beschwerdeführer freigesprochen wurde.
Das Urteil berücksichtigt auch die prekäre soziale Situation des Beschwerdeführers, weist jedoch darauf hin, dass die Erklärung seiner Handlungen diese nicht rechtfertigt, da legale Alternativen zum Betteln bestehen. Weitere verfahrensrechtliche Rügen wurden als nicht ausreichend begründet zurückgewiesen.
Zur Verfahrenskostenregelung wird die Sache an die kantonale Instanz zurückgewiesen; das Bundesgericht auferlegte keine Kosten, sprach dem Beschwerdeführer aber eine Parteientschädigung zu.
Welche Auswirkungen wird diese restriktive Auslegung von „abords immédiats“ in der Praxis für die Ahndung von Bettelstraftaten haben?