Das Bundesgerichtsurteil vom 23.05.2025, 8C_515/2024 (zur Publikation vorgesehen) bringt für das IV-Verfahren eine wichtige Präzisierung im Umgang mit psychotherapeutischen Stellungnahmen: Berichte von Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten müssen im Rahmen der freien Beweiswürdigung berücksichtigt werden, auch wenn keine fachärztliche Begutachtung vorliegt. Sie dürfen nicht ohne eingehende Prüfung als unbeachtlich abgetan werden.
Im konkreten Fall beantragte eine Versicherte Leistungen aufgrund von Kniebeschwerden und Depressionen. Die IV-Stelle und das kantonale Versicherungsgericht verneinten einen Rentenanspruch unter Berufung auf eine versicherungsinterne Einschätzung durch einen nichtpsychiatrischen Arzt. Die psychotherapeutischen Berichte wurden als nicht ausreichend beziehungsweise mangels fachärztlicher Qualität zurückgewiesen.
Das Bundesgericht hält dem entgegen: Auch ohne fachärztliches Gutachten sind Berichte von Psychotherapeuten objektiv zu würdigen. Liegen gewichtige Hinweise für eine relevante psychische Störung vor (z.B. langjährige ärztlich angeordnete Psychotherapie und entsprechende Diagnosen), so reicht die negative RAD-Beurteilung ohne persönliche Untersuchung und psychiatrische Qualifikation nicht für eine Ablehnung. Das Gericht verlangt umfassende und sorgfältige Abklärungen. Der Untersuchungsgrundsatz ist verletzt, wenn trotz offener Fragen keine weiteren medizinischen Untersuchungen veranlasst werden.
Ergebnis: Die Sache wird an die IV-Stelle zurückgewiesen mit dem Auftrag, den psychischen Gesundheitszustand nun fachlich fundiert abzuklären.
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