Mit BGer vom 02.05.2025, 2C_116/2023 (zur Publikation vorgesehen) hat das Bundesgericht zentrale Fragen zum Umfang des Anwaltsgeheimnisses im Zusammenhang mit internationalen Amtshilfeverfahren (Assistance administrative, CDI CH-FR) geklärt:
- Bankkonten, die ausdrückliche als berufliche Anwaltskonten mittels Formular R eröffnet worden sind, fallen grundsätzlich unter das Anwaltsgeheimnis der Schweiz. Dies gilt jedoch nur, wenn keine Hinweise auf eine rechtsmissbräuchliche Nutzung vorliegen. Werden z.B. private Honorare, die deklarationspflichtig wären, unzulässigerweise über das Anwaltstreuhandkonto abgewickelt, entfällt der Schutz (E. 12.2–12.3, 14, 15.1).
- Beschuldigte Anwälte können sich in Amtshilfeverfahren auf das Berufsgeheimnis berufen, müssen aber konkret angeben, welche Informationen in der Bankdokumentation geschützt sind. Ein pauschaler Verweis genügt nicht (E. 13.2, 14, 15.2).
- Wenn die Bank Bankunterlagen übermittelt und keine ausreichenden Angaben zum Geheimnisschutz gemacht werden, kann die Übermittlung zulässig sein. Ist das Geheimnis betroffen und der Verwendungszweck rein beruflich, liegt es an der Behörde dies abzudecken, z.B. durch Schwärzen von Mandantennamen (E. 14, 15).
Im konkreten Fall musste das Bundesgericht die Dokumente teilweise anonymisieren (auch Namen von juristischen Personen) und entschied, dass Informationen aus missbräuchlich verwendeten Konten nicht vom Anwaltsgeheimnis erfasst sind. Für Amtshilfeanfragen empfiehlt es sich für Anwältinnen und Anwälte, den Schutzbereich differenziert darzulegen und zu begründen.
Was bedeutet dieses Urteil für die zukünftige Führung von Anwaltstreuhandkonten – und für die Verteidigung im internationalen Amtshilfeverfahren?