Das Bundesgericht (Urteil BGer vom 12.06.2025, 9C_539/2024, zur Publikation vorgesehen) hat einmal mehr zentrale Leitplanken für die Anspruchsabklärung in der Invalidenversicherung hervorgehoben. Im Streit um eine IV-Rente eines jungen Versicherten mit psychischen Leiden und Rückenbeschwerden wurde ein bidisziplinäres Administrativgutachten trotz formaler Schwächen nicht verworfen – solange die Experten übereinstimmend die relevante Arbeitsfähigkeit beurteilen und keine disziplinenübergreifenden Wechselwirkungen bestehen. Doch bei einer deutlichen Diskrepanz zwischen gutachtlich attestierter Arbeitsfähigkeit und gescheiterten praktischen Eingliederungsversuchen reicht dies nicht: Hier sind weiterführende medizinische und integrative Abklärungen zwingend notwendig.
Das Bundesgericht betont den Vorrang des Grundsatzes „Eingliederung vor/statt Rente“. Insbesondere bei jungen Versicherten (wie hier, Jahrgang 1991) muss die Invalidenversicherung nach dem Scheitern von beruflichen oder Integrationsmassnahmen deren Wiederholung prüfen – auch in Verbindung mit therapeutischer Unterstützung. Die bisherige IV-Praxis, ein nur medizinisch-theoretisches Leistungsvermögen als genügende Grundlage für einen Verzicht auf weitere Eingliederungsbemühungen zu nehmen, erteilte das Gericht eine klare Absage. Nur wenn die praktische Umsetzbarkeit einer Arbeitsfähigkeit ausreichend abgeklärt und die Eingliederungsfähigkeit definitiv verneint ist, kann eine Rente zugesprochen werden.
Das Urteil führt zu einer Rückweisung an die IV-Stelle für weitere Abklärungen und unterstreicht die Anforderungen an sachverhaltsbezogene Abklärungspflichten und das Monitoring von Integrationspotenzialen. Wie beurteilen Sie vor diesem Hintergrund die Bedeutung des Einbezugs therapeutischer Massnahmen bei schwierigen Integrationsverläufen in der IV?