Das Bundesgericht hat in seinem Urteil vom 04.08.2025, 4A_237/2025 (zur Publikation vorgesehen) einen wichtigen Grundsatz zum richterlichen Ausstand in gerichtlichen Vergleichsverhandlungen klargestellt.
Konkret stellte die Beklagte im Anschluss an eine Vergleichsverhandlung vor dem Handelsgericht Aargau ein Ausstandsgesuch gegen den Instruktionsrichter. Dieser hatte an der Verhandlung eine vorläufige, prozessstoffbasierte Einschätzung abgegeben und unter anderem ausgeführt, die Voraussetzungen von Art. 366 Abs. 1 OR seien „mit Sicherheit“ erfüllt, relativierte jedoch später und verwies auf alternative rechtliche Erwägungen. Die Beklagte rügte daraufhin eine fehlende Unvoreingenommenheit des Instruktionsrichters.
Das Bundesgericht wies die Beschwerde ab und hielt richtungsweisend fest, dass solche vorläufigen und ausdrücklich als provisorisch bezeichneten rechtlichen Einschätzungen des Gerichts im Rahmen einer gerichtlichen Vergleichsverhandlung grundsätzlich keinen Ausstandsgrund begründen – auch wenn sie für eine Partei nachteilig erscheinen mögen. Eine Vergleichsverhandlung ist als informelles Verfahren ausgestaltet; dabei soll die Gerichtsdelegation prozessoffen, aber auch klar und überzeugend die Aktenlage würdigen dürfen. Einzelne missverständliche oder pointierte Aussagen in einer solchen Verhandlung sind für sich genommen nicht geeignet, objektiv den Anschein von Befangenheit zu schaffen.
Nur besonders gravierende oder wiederholte Verfahrensverstösse, die auf mangelnde Neutralität hindeuten, könnten einen Ausstandsgrund darstellen – nicht aber blosse (vermeintliche) Rechtsfehler bei der formlosen Einschätzung im Einigungsgespräch.
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