Bundesgericht: Sitzblockaden als strafbare Nötigung und Dienststörung

Mit BGer vom 21.08.2025, 6B_112/2025 (zur Publikation vorgesehen) stärkt das Bundesgericht die Strafbarkeit gezielter Sitzblockaden nicht bewilligter Demonstrationen auf zentralen Verkehrsachsen. Im vorliegenden Fall blockierte eine Gruppe am Pont du Mont-Blanc in Genf während über einer Stunde durch Sitzblockade und das Ankleben der Hände den gesamten Strassenverkehr. Dies führte zu gravierenden Beeinträchtigungen – insbesondere für den öffentlichen Verkehr mit über hundert ausgefallenen Fahrten und weitreichenden Umleitungen.

Das Bundesgericht bejaht sowohl eine strafbare Nötigung nach Art. 181 StGB – da eine substanzielle Einschränkung der Bewegungsfreiheit vorliege –, als auch eine Störung von Diensten von öffentlichem Interesse gemäss Art. 239 StGB, selbst wenn nicht das ganze Netz, sondern „nur“ elf Linien der TPG betroffen waren. Entscheidend ist nach der Rechtsprechung die Erheblichkeit der Störung gemessen an Dauer, Ausmass und betroffener Nutzerzahl, nicht aber zwingend die vollständige Lähmung des Gesamtsystems.

Wichtig für die Praxis: Bundesgericht und Vorinstanz sehen keinen Widerspruch zur Versammlungsfreiheit. Diese ist bei intensiven Blockaden ohne Bewilligung, die auf zentrale Infrastruktur abzielen, und bei Möglichkeit alternativer legaler Protestformen, klar eingeschränkt. Zudem wird klargestellt, dass eine gleichzeitige Strafbarkeit wegen Nötigung und Störung von Diensten zulässig ist. Die beiden Normen schützen unterschiedliche Rechtsgüter – individuelle Freiheit einerseits, den störungsfreien Betrieb von für die Allgemeinheit zentralen Diensten andererseits.

Klar ist damit: Wer eine Demonstration organisiert, sollte Blockadeaktionen auf essentielle Verkehrsadern kritisch hinterfragen. Welche praktischen Auswirkungen sehen Sie für die Verteidigung in Klima-Prozesskonstellationen?

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