In seinem Urteil vom 11.09.2025, 4A_221/2025 (zur Publikation vorgesehen) befasste sich das Bundesgericht mit der Frage, ob eine Arbeitgeberin zur Lohnfortzahlung verpflichtet ist, wenn ein Arbeitnehmer wegen einer Suchterkrankung – konkret Alkoholabhängigkeit – arbeitsunfähig ist, diese sich jedoch in einem verkehrsrelevanten Vorfall (Führerausweisentzug nach alkoholisierter Fahrt) manifestiert.
Das Bundesgericht bestätigte die Vorinstanz und stellte klar: Bei einer Suchterkrankung, die sich schleichend über längere Zeit entwickelt hat, ist grundsätzlich von fehlendem Verschulden des Arbeitnehmers auszugehen. Wird die Arbeitsunfähigkeit durch die Krankheit im medizinischen Sinn (hier: Alkoholsucht und deren Behandlung) verursacht, so liegt eine krankheitsbedingte unverschuldete Arbeitsverhinderung im Sinne von Art. 324a Abs. 1 OR vor.
Entscheidend ist dabei, dass sich die verschiedenen Folgen – wie z. B. der Führerausweisentzug nach einem alkoholbedingten Unfall – in diesem Kontext als Manifestationen der Suchterkrankung einordnen lassen. Der Entzug des Führerausweises war keine eigenständige arbeitsrechtliche Verhinderungsursache, sondern Teil des Kausalverlaufs der Krankheit. Die Arbeitgeberin kann sich daher nicht mit dem Argument entlasten, die Arbeitsverhinderung sei „selbstverschuldet“ aufgrund des Führerausweisentzugs, wenn und solange die primäre krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit fortbesteht.
Das Bundesgericht betont zudem, dass lediglich dort, wo wirklich unabhängige und selbständige verschuldete Verhinderungsgründe vorliegen (z. B. Verbüssung einer Freiheitsstrafe ohne Kausalzusammenhang mit einer Krankheit), die Lohnfortzahlung verweigert werden kann.
Wie beurteilen Sie diese weitreichende Auslegung zum Schutz von Suchterkrankten im Arbeitsverhältnis?